Als sich die Schockstarre etwas gelöst hatte und das Guardian Office (GO) 1983 aufgelöst worden war, installierte L. Ron Hubbard, Pat Broeker, David Miscavige oder wer auch immer Anfang der 80er-Jahre etwas in Scientology zu sagen hatte, 1983/84 das Office of Special Affairs (OSA).

Bis dahin waren alle GO-Mitarbeiter aus dem „aktiven Dienst“ entfernt worden, die auch nur den Hauch einer illegalen Tätigkeit mit sich brachten. Nicht dass Scientology plötzlich ehrsam geworden wäre, sondern einzig und alleine der Tatsache geschuldet, dass es in Scientology nur ein wirkliches Verbrechen gibt, das geahndet wird: Wenn man sich erwischen lässt. Und das auch noch von Behörden aus der „Wog-Welt“, der Welt der Nichtscientologen.

Scientology ist äußerst darauf bedacht, keine Angriffsfläche zu bieten und setzt lieber darauf, Angriffsmöglichkeiten zu finden – und mit dem US-Prozess samt Verurteilung war das Worst Case Szenario eingetreten. Frei nach Hubbards Devise mussten viele Köpfe aufgespießt werden.

Im Anschluss daran machte sich bei Scientology mit einem Vakuum bemerkbar, da es kaum mehr Mitarbeiter gab, welche die Voraussetzungen für einen Geheimdienst erfüllten. Und nachdem man „mithilfe“ der Finance Police (FO) auch noch die Basis an sich geschwächt hatte und Hunderte Scientologen rausschmiss, fand sich auch so leicht niemand. Ich habe diese Jahre aus nächster Nähe mitverfolgt, da ich zu der Zeit Executive Director in Wien war. Innerhalb kürzester Zeit wurde aus einer 90-Mann-Organisation nach der „Arbeit“ der FO eine mit gerade einmal dreizehn Mitarbeitern und kaum Publics, dem Fußvolk von Scientology. Meinen Kopf kostete es kurze Zeit später ebenfalls, da ich ein Sicherheitsrisiko für Scientology darstellte, da ich in meiner Jugend bei einer kommunistischen Gruppe aktiv gewesen bin.

Das Department 20 aka OSA verpasste sich derweil ein sogenanntes Org Board

Blog Geheimdienst 6 ORG Board Dept 20

Leicht zu erkennen: Es sind alle Funktionen des ehemaligen Guardian’s Office vorhanden: Service, Public Relations, die Legal Section (Rechtsamt), Social Reform (früher: Social Coordination) und natürlich die Investigations Section, das Herzstück des Scientology-Geheimdienstes. Lediglich die Finanzen wurden ausgegliedert, da diese auf internationaler Ebene sowieso umgestaltet wurden.

Blog Geheimdienst 6 ORG Board Invest Section

Der wesentliche Unterschied des Office of Special Affairs zum GO bestand darin, dass die „Schmutzarbeit“ nicht mehr selbst gemacht wurde. Man heuerte dafür Anwälte und/oder Privatdetektive an, die im Idealfall ehemalige Mitarbeiter des GO waren.

Miscavige installierte das internationale Hauptquartier von OSA in Los Angeles. Geführt wurde es anfangs vom Österreicher Kurt Weiland, der es als Commanding Officer leitete, bevor er von Mike Rinder abgelöst wurde. Seit dessen Flucht aus Scientology im Jahr 2007 dürfte es von Miscavige direkt geführt werden.

Auch in seiner Wortwahl trat David Miscavige in die Fußstapfen von Hubbard: „Machen wir uns nichts vor, wir spielen auf diesem Planeten ein Spiel auf Leben und Tod. … Manchmal muss man das Problem mitsamt der Wurzel herausreißen. Und manchmal reichen diese Wurzeln ziemlich tief, und viele starke Arme müssen gemeinsam daran ziehen, um es zu schaffen.“ Miscavige betonte dabei, dass „es … meine Absicht [ist], … jegliche Opposition nicht nur stumpf zu machen, sondern dauerhaft auszurotten.“

In geheimen OSA Network Orders wurden die Vorgaben des Office of Special Affairs herausgegeben. Ein kürzlicher Leak der kompletten Sammlung, die wahrscheinlich aus dem Jahr 2006 stammt, gibt einen Überblick …

Zurück in die 80er-Jahre, in denen Miscavige & Co. vorrangig  mit sich selbst und den diversen Umstürzen, Abspaltungen usw. beschaftigt waren, schaffte OSA 1984 denoch einen ersten nennenswerten Schritt ihrer neuen Strategie mit der Gründung der International Association of Scientologists (IAS).

Eigentlich war der Schritt nicht besonders groß, wurde doch nur der Safe Environment Funds [SEF) des Guardian’s Office aus den 70er-Jahren in neuem Gewand präsentiert. Aber es gab dann doch einen feinen Unterschied: Wurde der SEF von den einzelnen Scientology-Organisation gespeist, sollten diesmal die Publics, die einfachen Mitglieder von Scientology bezahlen. Sie bekamen, je nach Größe der „Spende“, einen Ehrenstatus verliehen. Von der Größenordnung der Spenden war man schon mit ein paar Hundert Dollar dabei, dann kostete es schnell 50.000 oder 100.000 Dollar, wobei die Skala nach oben offen war und mittlerweile 20 oder 25 Millionen Dollar problemlos erreichbar sind.

Bei der Gründungsveranstaltung in St. Hill/England war David Miscavige (Bildmitte mit roter Krawatte) persönlich anwesend und man verfasste „Ein Versprechen an die Menschheit“

Blog Geheimdienst 6 IAS Gründung 1984

Unabhängig davon war man aber auch mit dem „Tagesgeschäft“ eines Geheimdiensts beschäftigt, in den 80er-Jahren ganz konkret mit Larry Wollersheim und Gerald Armstrong.

Lawrence Wollersheim hatte Scientology 1979 verlassen und verklagte diese 1980 auf Schadenersatz in der Höhe von 25 Millionen Dollar. Er machte vor Gericht geltend, dass die Scientology-Praktiken, die u.a. aus Gehirnwäsche und emotionaler Misshandlung bestanden, bei ihm seelischen Schaden verursachten[ und ihn an den Rand eines Selbstmords getrieben hatten. Weiter gab er an, dass er gezwungen worden war, mit seinen Eltern den Kontakt abzubrechen, 18 Stunden pro Tag in einem Laderaum eingesperrt und durch Schlafentzug gequält worden zu sein.

Vor allem durch das Erreichen der Scientology-Stufe OT III war seine Identität schwer erschüttert worden, da er danach nicht mehr wusste, ob er noch er selbst war oder von jenen tausenden Wesen (Body Thetans) beherrscht werden würde, die in der OT III-Xenu-Geschichte vermittelt werden. Wollersheim: „Ich wurde psychotisch. Ich wusste nicht mehr, wer ich war.“

Blog Geheimdienst 6 Larry Wollersheim

1986 wurden Wollersheim in erster Instanz 30 Millionen Schadenersatz zugesprochen, in der Berufungsverhandlung 1989 wurde diese auf 2,5 Millionen Dollar reduziert. Nach 22 Jahre und mehreren Verfahren bezahlte Scientology 2002 an ihr ehemaliges Mitglied 8,67 Millionen Dollar (2,5 Millionen vom Gericht zugesprochener Schadensersatz und Zinsen) und der Prozess war beendet.

Neben der Verzögerungstaktik, die zum Ziel hatte, Wollersheim in den Bankrott zu treiben, wurden seitens Scientology auch andere Mittel eingesetzt. So wurde das Haus des Anwalts von Wollersheim, Charles O’Reilly, verwanzt und ein Agent in dessen Anwaltskanzlei platziert. Gegen Reilly selbst und dessen Leibwächter setzte man weibliche Lockvögel ein. Auch der Richter im Prozess, Ronald Swearinger, wurde unter Druck gesetzt: „Ich wurde beschattet, meine Autoreifen wurden aufgeschlitzt und mein Collie ertrank im Pool.“ Auf den homosexuellen Sohn des Richters wurde ein minderjähriger Sexpartner angesetzt.

Blog Geheimdienst 6 Gerald Armstrong

Gerald Armstrong (Foto) war ebenfalls ein ehemaliges Mitglied der Sea Org von Scientology, der zuletzt als Archivar tätig war, um beim Erstellen der offiziellen Biografie von L. Ron Hubbard zu assistieren. Nachdem er nach der Durchsicht der Dokumente festgestellt hatte, dass der überwiegende Teil, den Hubbard über sein Leben erzählt hatte, nicht der Wahrheit entsprach, verließ er Scientology und nahm Kopien Tausender Dokumente mit, die u.a. belegten, dass Hubbards Leben in den Jahren zwischen 1920 und 1941 und während des 2. Weltkrieges anders verlaufen ist, als dies von diesem dargestellt worden war.

Armstrong wurde im Februar 1982 von Scientology zur Suppressive Person (Unterdrückerische Person) erklärt und in der Folgezeit gemäß den Vorgaben von Fair Game unter Druck gesetzt. Er wurde nicht nur mit Klagen überhäuft und ein Privatermittler bedrohte ihn mit seiner Ermordung, er wurde auch physisch angegriffen und bedrängt, indem ihm unbekannte Personen verfolgten, ihn attackierten und zweimal in seinem Auto bedrängten, um einen Unfall herbeizuführen.

Im ersten Prozess, der 1984 am Superior Court lief und bei dem Scientology auf die Herausgabe der Dokumente geklagt hatte, kam dies alles zu Sprache und das Gericht hatte nicht vor, dem Verlangen von Scientology stattzugegeben. Durch verschiedene Eingaben bedingt währte der Prozess noch bis 1986 und wurde erst eingestellt, als Armstrong am 6. Dezember 1986 eine Vereinbarung mit Scientology schloss, nach der Scientology an Armstrong u.a. einen Betrag von 800.000 Dollar bezahlte. Am 17. Oktober 1991 bestätigte das Berufungsgericht (Court of Appeal) die Entscheidung des Superior Courts im Jahr 1984, das Ansinnen von Scientology abzulehnen.

In den folgenden Jahren gab es unzählige von Verfahren von Scientology gegen Gerald Armstrong, da dieser das 1986er-Abkommen als illegal betrachtete, Kläger gegen Scientology unterstützte, im Internet präsent war und Fernsehinterviews gab, die gegen Scientology gerichtet waren. Damit verstieß gegen einen Passus des 1986er-Abkommens, der besagte, dass jeweils 50.000 Dollar fällig waren, wenn Armstrong sich gegen Scientology aussprach und dies summierte sich auf eine Summen von rd. 10 Millionen Dollar. Er wurde zu Haftstrafen verurteilt, denen er keine Folge leistete, indem er seinen Wohnsitz nach Kanada verlegte.

Durch den Gerichtsprozess Scientology vs. Armstrong wurden eine Fülle von Dokumenten über L. Ron Hubbard verfügbar, die seither Basis der journalistischen und wissenschaftlichen Aufarbeitung sind.

Hier noch ein Interview mit Armstrong aus der Dokumentation Secret Lives

Anfang Mai 1991 brachte die Zeitschrift TIME einen zehnseitigen Artikel mit dem Titel Scientology: The Thriving Cult Cult of Greed and Power (Scientology: Der blühende Kult der Habgier und Macht). Der Autor Richard Behar (Foto) konnte darin u.a. belegen, dass alleine im Jahr 1987 ein Zweig von Scientology, die Church of Spiritual Technology (CST), eine halbe Milliarde Dollar eingenommen hatte. Hunderte Millionen Dollar der Dachorganisation waren danach auf Geheimkonten in Lichtenstein, der Schweiz und Zypern verschwunden.

Hubbard wurde im Artikel als „halber Märchenerzähler, halber Schwindler“ beschrieben und John Travolta soll nur bei Scientology bleiben, da er fürchtete, Details seiner sexuellen Orientierung würden publik gemacht werden, wenn er austritt. Newsweek reihte den Artikel 2012 unter die besten, die ausführlich über Scientology geschrieben wurden.

Blog Geheimdienst 6 Rchard Behar

In einer Spalte des Hauptartikels schrieb Behar unter dem Titel The Scientologists an Me: „Seltsame Dinge scheinen jenen zu passieren, die über Scientology schreiben. … Im Hinblick auf die TIME-Story wurden zehn Anwälte und sechs Privatdetektive von Scientology losgelassen, um mich zu bedrohen, zu schikanieren und zu diskreditieren. … Eine Kopie meiner persönlichen Kreditauskunft, mit allen meinen Bankverbindungen, Hypotheken, Kreditkartenzahlungen, Adressen und Sozialversicherungsnummer, landeten bei einem Privatdetektiv, Fred Wolfson, dem Anwälte von Scientology gesagt hatten, dass sie ‚Gerichtsurteile gegen diese Personen zu vollstrecken hätten und versuchen würden, das Geld einzutreiben‘. …

Während der letzten 5 Monate haben Privatdetektive meinen Bekanntenkreis abgeklappert, begonnen bei meinem Nachbarn bis hin zu ehemaligen Kollegen, um sich über meine Gesundheit zu informieren oder ob ich Probleme mit der Finanzbehörde [IRS] hätte. … Ein enger Freund von mir bekam einen verstörenden Anruf von einem Scientology-Mitarbeiter, der Information über mich herausfinden wollte – für mich ein Zeichen, dass Scientology illegal an meine Telefonaufzeichnungen gekommen sein muss.

Zwei Privatdetektive riefen mich an, stellten sich als Freund und Verwandter eines Kultopfers vor, um derart negative Aussagen über Scientology zu erhalten. Das Gespräch wurde offensichtlich mitgeschnitten, von Scientology als Eidesstattliche Aussage den Anwälten von TIME’s präsentiert wurde, um meine Voreingenommenheit gegenüber Scientology zu belegen. Einer der Detektive hatte sich als Harry Baxter vorgestellt. … Sein wirklicher Name ist Barry Silver und er ist ehemaliger Ermittler für das Justizministerium, Abteilung Organisiertes Verbrechen.“

Scientology reagierte auf den Artikel mit einer Verleumdungsklage mit der Schadensersatzsumme von 446 Millionen Dollar gegen das Magazin TIME, Time Warner und Richard Behar, die sich u.a. gegen Aussagen des Artikels, wie z.B. dass „sich das Big Business von Scientology seit vierzig Jahren hinter dem Ersten Verfassungszusatz [Religionsfreiheit] versteckt“ oder „In Wirklichkeit ist Scientology ein hochprofitables Schwindelunternehmen, das weltweit agiert und Mitglieder und Kritiker Mafia ähnlich einschüchtert.“ richtete.

Die Klage von Scientology wurde vom Gericht zurückgewiesen und Scientology ging danach in die Berufung.Das Berufungsgericht wies den Antrag von Scientology am 12. Jänner 2001 neuerlich ab und stellte fest, dass das Urteil der ersten Instanz richtig war.

Am 9. Juli 2001 verweigerte der Supreme Court of the United States jede weitere Berufung von Scientology.

Hier der TIME-Artikel …

Kurze Zwischenfrage: Konnten Sie in der Gebarung“ des Office of Special Affairs einen Unterschied zu jener des Guardian’s Office erkennen?

Ted Gunderson, ehemaliger FBI-Chef von Los Angeles, sagte Anfang der 90er-Jahre zur Zeitschrift TIME: „In meinen Augen hat Scientology einen der effektivsten Geheimdienste in den USA, vergleichbar nur mit dem FBI.“

Und dabei sollte es noch besser“ kommen …

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