Clear wurde im Buch Dianetik von L. Ron Hubbard propagiert und der hatte sich in seinem Text dabei u.a. bei einigen Psychiatern und Psychologen „bedient“ – Sigmund Freud, Alfred Korzybski, William Sargant, Nandor Fodor und Otto Rank, um nure einige zu nennen. Er nannte ds Prozede Auditing, dass aus meiner Sicht einem Polizeiverhör bzw. einer ganz schlechten Psyhcotherapie ähnelt.

Hubbard „interpretierte“ die Erkenntnisse Freuds & Co. um und mixte sie mit seinen Hypnosetechniken, die er in den 40er-Jahren erlernt hatte. Russell Miller schrieb in seinem Buch Bar-Faced Messiah darüber: „Danach demonstrierte Hubbard (in der Los Angeles Fantasy und Science Fiction Society) sein Talent als Hypnotiseur. Er hypnotisierte fast jeden im Clubraum: Ein junger Mann schaute mit äußerster Überraschung auf seine Hand – er war davon überzeugt, dass er ein Paar Miniaturkängurus in seinen Händen hielt. Ein anderer zog schnell seine Schuhe aus, als er das Gefühl hatte, dass der Fußboden warm würde und ein dritter verbrachte zehn sehr lustige Minuten an einem imaginären Telefon und war damit beschäftigt, einen hartnäckigen und nicht existierenden Autoverkäufer abzuwimmeln. Hubbard schien keine Schwierigkeiten damit zu haben, hypnotische Trance zu induzieren – alles, was er bei manchen Leuten tun musste, war bis drei zu zählen und dann mit dem Finger zu schnippen. Doch manchmal vergaß er, Leute wieder aus dem hypnotischen Zustand zurückzuholen. Er sagte zu Cox‘ jüngerem Bruder Bill, dass er jedes Mal einschlafen sollte, wenn er sich an der Nase kratzen würde. Unter Hypnose befolgte dieser das Kommando pflichtgemäß. Doch später am Abend kratzte sich Hubbard geistesabwesend an der Nase, während er inmitten einer Gruppe von Bewunderern stand – und Bill Cox kollabierte unmittelbar darauf. Er fiel glücklicherweise in die Arme von Forrest Ackerman, der hinter ihm stand.“

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Nach der Präsentation im Astounding Science Fiction bot Art Ceppos Hubbard an, das Buch in seinem Verlag Hermitage House zu veröffentlichen.

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In der Dianetik-Theorie ging bzw. geht es um die „Reinigung“ des sogenannten Reaktiven Verstandes, in dem aus Hubbards Sicht in Form von sogenannten Engrammen alles Negative enthalten war – eigentlich nichts anderes als eine Umbenennung des Unterbewusstseins, wie man es aus der Psychologie kennt. Durch das dianetische Verfahren, das er Auditing nannte, sollte ein Geklärter, Clear erreicht werden: „Wenn wir einen Clear erreicht haben, stehen wir vor etwas, das man nie zuvor gesehen hat, denn es existierte nie zuvor in einem schuttfreien Zustand eine perfekte Maschine, gut geölt, kraftvoll, schimmernd und imstande, alle ihre eigenen Funktionen ohne jede weitere Wartung abzustimmen und zu steuern.“

Dazu führte er den „Archivar“ ein – damit bezeichnete“ er einen „Mechanismus“, der auf ein beliebiges Stichwort hin die entsprechende „Karteikarte“ im Verstand des Menschen finden und derart das „unbestechliche“ Regulativ seines Verfahrens darstellen sollte.

Das eigentliche Verfahren bestand dann aus einer Hypnosetechnik, die Hubbard in Reverie umbenannte: „In der Reverie ist der Preclear [eine Person, die noch nicht Clear ist] in einen Zustand leichter ‚Konzentration’ versetzt, welche nicht mit Hypnose verwechselt werden darf. … Mehr braucht man über ihre Wirkungsweise nicht zu wissen. … Hier sind die grundlegenden Punkte des Verfahrens zusammengefasst: 1. Versichern Sie dem Patienten, dass er über alles, was geschieht, Bescheid wissen wird. 2. Zählen Sie, bis er die Augen schließt. 3. Richten Sie den Löscher [ein Wort, dass den Bann bricht, die Hypnose durchbricht] ein. 4. Senden Sie den Patienten in einen Zeitabschnitt der Vergangenheit zurück. 5. Arbeiten Sie mit dem Archivar, um Daten zu erhalten. 6. Reduzieren Sie alle berührten Engramme, so dass keine Ladung verbleibt. 7. Bringen Sie den Patienten in die Gegenwart. 8. Vergewissern Sie sich, dass er in der Gegenwart ist. 9. Geben Sie ihm das Löscherwort. 10. Stellen Sie volles Bewusstsein seiner Umgebung her.“

Während eines Vortrages 1952 sprach Hubbard dann offen aus, worum es ihm ging: „Diese Welt hat lange danach gesucht, einen neuen Weg zu finden, um Sklaven zu schaffen. Gut, wir haben einen neuen Weg gefunden, um Sklaven zu machen.“

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Kurz nach dem Erscheinen von Hubbards Buch tauchten erste kritische Stimmen auf, wie jene von Erich Fromm (Foto oben), der eine Buchbesprechung unter dem Titel For Seekers of Prefabricated Happiness (Für Sucher von vorgefertigtem Glücklichsein) schrieb: „Hubbards Buch kann kaum als ein Beitrag zur Wissenschaft vom Menschen ernst genommen werden. Ernst nehmen muss man es jedoch als Symptom eines gefährlichen Trends. Wäre es nur eine allzu sehr vereinfachende Deutung Freudscher Theorien, dann könnte man es als harmlos betrachten. Aber Dianetik bringt eine Geisteshaltung zum Ausdruck, die den Lehren Freuds exakt entgegensteht. … Die Entdeckung, dass ‚das Überleben der einzige Zweck des Lebens’ sei, ist sicherlich nicht Ausdruck des Geistes …, sondern vielmehr der eines plumpen Biologismus, für den ethische Werte dem Zwang zum Überleben untergeordnet sind – wenn sie überhaupt noch irgendeinen Platz haben. … Meine negative Ansicht über Dianetik gründet nicht in der Überzeugung, dass die heutigen Methoden der Psychiatrie zufriedenstellende Lösungen bieten; ihnen mangelt es in der Tat an neuen Ideen und Versuchen. Glücklicherweise sind sich aber viele Psychiater und Psychologen dieses Mangels bewusst und suchen nach wirkungsvolleren Zugängen zur Ebene des Unbewussten. … Voraussetzung muss dabei jedoch immer die Stärkung der Verantwortlichkeit des Patienten, seiner Fähigkeit zur Kritik und Einsicht, sein.“

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Dr. Martin Gumpert (Foto oben), Mitarbeiter am Goldwater Memorial Hospital in New York City, schrieb für die Zeitung The New Republic am 14. August 1950 ebenfalls ein Rezession unter dem Titel Die Dianetikmanie: „Es ist weniger der Inhalt dieses Buches, der nach einer Untersuchung ruft, als vielmehr seine Auswirkungen auf den Verstand eines durchschnittlichen Lesers. … Das Buch beginnt mit der Feststellung: ‚Die Dianetik ist ein Meilenstein für den Menschen, vergleichbar mit der Entdeckung des Feuers und bedeutender als die Erfindung des Rades und Bogens’. … (und dass) ‚die verborgene Quelle von allen psychosomatischen Krankheiten und aller menschlicher Aberration [Abweichung] … entdeckt und das Fachwissen für ihre Heilung entwickelt (wurde).’ Mit Hilfe dieser Fertigkeiten kann sich jedermann davon in weniger als 20 Stunden befreien und zu einem Dianetik Clear werden, einer Person mit höherer Intelligenz als dies normalerweise der Fall ist. Der Dianetik-Prophet L. Ron Hubbard, ein Bauingenieur und Science-Fiction-Schreiber, … beansprucht ‚einen bisher nicht vermuteten Unter-Verstand’ entdeckt zu haben. … Ich stelle fest, dass ich noch nie mit einer dermaßen dreisten Mischung aus völligem Unsinn, Dingen des gesunden Menschenverstandes und längst Bekanntem entnommenen konfrontiert wurde; dies wurde durch eine neu erfundene und verrückte Terminologie getarnt und derart präsentiert. Am widerlichsten empfand ich die wiederholten Behauptungen von Genauigkeit und wissenschaftlichen Versuchsverfahren, für welche jeder Beweis fehlt. Der Autor lebt fortlaufend von übernommenen Konzepten, trotzdem greift er diese … an. Was auch immer an seinen ‚Entdeckungen’ Sinn macht, stammt nicht von ihm und … erscheint mir als ein paranoides System, … das als äußerst gefährlich einzustufen ist, wenn es als therapeutische Technik zum Massenkonsum angeboten wird. Wie jeder Führer einer Bewegung von Verrückten, verdächtigt und verdammt er Skeptiker und ‚Ungläubige’: ‚Sollte der Pre-Clear feststellen, dass jemand versucht, ihn vom Beginn oder der Fortsetzung einer Dianetik-Therapie abzuhalten, müsste diese Tatsache sofort dem Auditor mitgeteilt werden. Jemand, der versucht eine Person vom Eintritt in die Therapie abzuhalten, hätte entweder einen Nutzen von den Aberrationen der Person oder hat etwas zu verbergen.’ … Der Schaden, der durch Dianetik-Auditoren bei ihren Opfer angerichtet werden könnte, sollte aber nicht unterschätzt werden. … Die zitierten Beispiele des dianetischen Auditings sind von ausgefallener Absurdität. … Und (ich wünsche mir) inständig, dass etwas (dagegen) unternommen werden könnte, um Aktivitäten dieser Art zu verbieten.“

Hubbard ließ sich davon nicht beirren, wie Russell Miller in seinem Buch schrieb: „Er [Hubbard] hatte einen dichtgedrängten Terminplan vor sich: Abgesehen von diversen Einladungen und Interviews sollte er an der neugegründeten Hubbard Dianetik Forschungsgesellschaft von Kalifornien Vorträge halten, alle großen Buchläden wollten ihn für Autogrammstunden, und – am allerwichtigsten – er sollte am 10. August einer Versammlung im Shrine Auditorium beiwohnen. Das versprach eine Sternstunde für Scientology zu werden, denn an diesem Abend sollte der erste ‚Clear‘ der Welt vorgestellt werden.

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Russell Miller

Das Shrine war ein riesiges, moscheeartiges Gebäude mit weißen Stuckzinnen und einer Kuppel in jeder Ecke, vom Musikkritiker der LA Times unvergesslich als ‚Beispiel für die neue Gefängnis-Architektur Bagdads‘ charakterisiert. Erbaut 1925 von der Al Malaika Tempel-Bewegung, war es das größte Auditorium in Los Angeles. Es bot unter seiner herabhängenden Decke, die einem Zeltdach nachempfunden war, Platz für 6500 Leute. Als die Hubbard Dianetik Forschungsgesellschaft das Auditorium für das Treffen am 10. August buchte, erwarteten nur Wenige, dass mehr als die Hälfte der Plätze besetzt sein würden. Arthur Jean Cox, der junge Fernschreibtechniker, der Hubbard in der Los Angeles Science Fantasy Gesellschaft getroffen hatte, kam mit der Straßenbahn eher früh zu diesem Treffen und war verwundert, wie voll sie schon war. “Bei jeder Haltestelle stiegen mehr und mehr Leute ein”, sagte er. “Ich konnte nicht glauben, dass all diese Leute zum Treffen fuhren, doch als wir beim Shrine in der Royal Street ankamen, stiegen alle aus. Ich war völlig baff. Als ich dann rein kam, waren nur mehr wenige Sitze frei..” Die Zuhörerschaft waren vor allem junge Leute, laut und gutgelaut. Viele hatten abgegriffene, anscheinend zerlesene Kopien von “dem Buch” dabei in der Hoffnung, dass Hubbard es signieren würde; es gab viel Gerede über ‚den ersten Clear der Welt‘ und über dessen oder deren Fähigkeiten. Dutzende von Zeitungen und Magazinen, inklusive Life, hatten Reporter und Photographen geschickt, um über den Event zu berichten. Die Zyniker, die ein halbleeren Auditorium vorausgesagt hatten, waren voller Verwunderung, als sich sogar die Flügel zu füllen begannen.

Als Hubbard die Bühne betrat, gefolgt von A.E. van Vogt, den er kurz zuvor zum Anhänger rekrutiert hatte, sowie den weiteren Direktoren der Stiftung, gab es ein spontanes Getöse im Publikum, gefolgt von Applaus und Hurra-Rufen, die einige Minuten anhielten. Hubbard, sich seiner selbst ganz sicher und entspannt, lächelte breit, als er sich im vollbesetzten Auditorium umschaute und hob schließlich die Hände um Ruhe zu bedeuten. …

Die Atmosphäre war durchgehend herzlich, sogar als die gerufenen Kommentare des Publikums immer respektloser wurden. Als Hubbard die Vielzahl geistiger und körperlicher Verbesserungen erklärte, die von erfolgreichem Auditing herrührten, rief jemand: “Füllen sich deine Aushöhlungen auf?” und hatte damit die Lacher auf seiner Seite. Als es dann auf den Höhepunkt des Abends zuging, war die Erwartung und Aufregung in der vollbesetzten Halle nahezu greifbar. Ein Psst! ging durch die Menge, als

Hubbard schließlich auf das Mikrophon zuging und ‚den ersten Clear der Welt‘ vorstellte. Es war, so sagte er, eine junge Frau namens Sonya Bianca, eine Physikstudentin und Pianistin aus Boston. Unter den vielen neu erworbenen Fähigkeiten behauptete er, dass sie auch ‚volle und perfekte Erinnerung an jeden Moment ihres Lebens‘ hatte; und diese Fähigkeit würde sie gerne auch demonstrieren. Er wandte sich langsam an den einen Seitenflügel der Bühne und sagte: “Würden Sie jetzt bitte herauskommen, Sonya?”

Das Publikum brach wieder in Beifall aus, als ein dünnes, offensichtlich nervöses Mädchen aus dem Seitenflügel ins Scheinwerferlicht trat, das ihr bis zur Bühnenmitte folgte; dort wurde sie von Hubbard umarmt. Mit zitternder Stimme erzählte sie der Versammlung, dass Dianetik ihre Stirnhöhlenprobleme aufgelöst und ihre ‚eigenartige und peinliche‘ Allergie gegen Farbe geheilt hatte. “Noch Tage, nachdem ich mit Farbe in Berühung gekommen war, hatte ich ein schmerzhaftes Jucken in meinen Augenbrauen”, stammelte sie. “Jetzt haben sich beide Beschwerden aufgelöst und ich fühl mich wie eine Million Dollar.” Sie beantwortete ein paar Routinefragen Hubbards, der aber dann den Fehler machte, Fragen des Publikums zuzulassen: Dieses hatte eindeutig spektakulärere Enthüllungen erwartet.

“Was haben Sie am 3. Oktober 1942 zum Frühstück gegessen?” rief jemand. Miss Bianca schaute begreiflicherweise etwas erschreckt, blinzelte ins Licht und schüttelte den Kopf. “Was steht auf Seite 122 des Dianetik-Buches?” fragte jemand anderer. Miss Bianca öffnete ihren Mund, doch es kam nichts heraus. Weitere ähnlich Fragen prasselten auf sie ein, begleitet von viel abwertendem Gelächter. Viele im Publikum hatten Mitleid mit dem erbärmlichen Mädchen auf der Bühne und stellten leichtere Fragen, doch sie war inzwischen so verängstigt, dass sie sich nicht einmal mehr an einfache Physik-Formeln erinnern konnte, ihrem eigenen Studienfach!

Als das Publikum daraufhin begann aufzustehen und das Auditorium zu verlassen, bemerkte ein Mann, dass Hubbard ihr gerade den Rücken zugewandt hatte – und er rief: “OK, welche Farbe hat Mr. Hubbards Krawatte?” Der erste ‚Clear‘ der Welt verkrampfte sein Gesicht in einem verzweifelten Versuch, sich daran zu erinnern, starrte schließlich in die feindselige Dunkelheit des Auditoriums und ließ dann den Kopf voll Beschämung hängen. Es war schrecklich. Hubbard, dem die Schweißperlen auf der Stirn standen, trat nach vorn und brachte die Demonstration zu einem schnellen Ende.“

1969 präsentierte Hubbard den zweiten ersten Clear, den Medizinstudenten John McMaster, der noch im gleichen Jahr Scientology den Rücken zuwandte. Dannach ptäsentierte Scientology keinen „ersten Clear“ mehr.

Der schrecklichste Fall eines Clears war dann Lisa McPherson, die am 5. Dezember 1995 in der Obhut von Scientology verstarb – sie hatte kurz vor ihrem Tod unter der Regie des nunmehrigen Scientology-Führers David Miscavige Clear erreicht.

An ihrem Todestag wurde ihr Leichnam von einem Fahrzeug der Scientology-Organisation in Flag in ein Krankenhaus gebracht. Der Fahrer erklärte dem Notfallarzt, er hätte eine schwer kranke Frau im Fahrzeug – der Zürcher Tagesanzeiger dazu: „Doch für diese kam jede Hilfe zu spät: Lisa McPherson war längst tot. Die Leiche war in einem schrecklichen Zustand. Die tote Frau war abgemagert, übersät mit blauen Flecken, Schürfwunden und Stichen. Sie sei von Insekten gebissen worden, sagten die Scientologen. Die Spuren deuteten auf Kakerlaken hin, meinte ein Arzt.“

Die Vorgeschichte: Lisa McPherson hatte am 18. November 1995 einen Unfallschock erlitten. Der Arzt Flynn Levert vom Morton Plant Hospital notierte in: „Die Patientin ist eine 36 Jahre alte Frau, die in einen kleinen Unfall verwickelt war. … Der Rettungswagen traf vor Ort ein, um nach ihr zu sehen. Sie wollte nicht, dass man sich um sie kümmert. Sie war nicht verletzt. … Danach wurde sie gesehen, als sie nackt die Strasse entlang ging. … Sie sagte, dass sie sprechen wollte. Sie hatte ihre Kleider ausgezogen, um den Leuten zu zeigen, dass sie verrückt war. Sie wechselte beim Gespräch das Thema immer wieder. Sie bestritt mir gegenüber jede Selbstmordabsicht oder Mordabsicht. … Die Scientologen trafen ein und sagten mir, dass sie nicht wollten, dass sie einen Psychiater vorgeführt würde und dass sie in der Lage wären, sie selbst zu behandeln. Ich sagte ihnen, dass ich ein Gespräch mit der Patientin benötigen würde, um danach eine Entscheidung treffen zu können. … Jemand aus der Psychiatrieabteilung, Joe, untersuchte die Patientin und stellte fest, dass sie weder eine Gefahr für sich noch andere darstellte. Wir sahen beide, dass sie ein psychisches Problem hatte. Die Patientin wollte nicht im Spital bleiben. Ihre Freunde von Scientology würden sie 24 Stunden hindurch versorgen und so sicherstellen, dass sie die Versorgung bekäme, die sie benötigte; die Patientin wollte gehen. Ich habe ihnen dann gesagt, dass dies OK wäre. Die Patientin wollte nicht im Spital bleiben und wir würden sie nicht einweisen. … Die Scientologygruppe wies nochmals darauf hin, dass sie sehr aufmerksam beobachtet werden würde und alles erhalten sollte, was sie benötigte. – Diagnose: 1. Keine Anzeichen von akuten medizinischen Problemen oder Verletzungen. 2. Fehlfunktionen im Verhalten.“

Danach wurde Lisa McPherson im Rahmen des Introspection Rundown bis zum 5. Dezember „verwahrt“.

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L. Ron Hubbard in den 70er-Jahren …

Der scientologische Introspection Rundown …

Anfang Januar 1974 erschien ein „Bulletin“ von L. Ron Hubbard mit dem Titel „Der technische Durchbruch des Jahres 1973“: „Ich habe einen technischen Durchbruch erzielt, der möglicherweise im gleichen Atemzug mit anderen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts zu nennen ist. Es ist der Introspection Rundown. … Damit ist der letzte Grund verschwunden, den Psychiater ins Treffen führen können, um ihre Existenz zu rechtfertigen.“

Sein Programm dafür: „Eine Person, die einen psychotischen Zusammenbruch erlitten hat, ist vollkommen zu isolieren; allen Beteiligten wird ein Maulkorb verpasst (keine Gespräche). … Geben Sie der Person Vitamine (B-Komplex mit Niacin) und Mineralstoffe (Kalzium und Magnesium), um sie wieder körperlich aufzubauen.“

Zur Isolation merkte er an: „Es ist notwendig, die Person zu isolieren, damit sie … davor geschützt wird, sich selbst oder andere zu verletzen. … Der Fallüberwacher steht in direktem Kontakt, indem er ihre Reaktionen beobachtet. Die Person ist mit Zettel und Papier ausgerüstet. Er (der Fallüberwacher) muss die Verantwortungsstufe der Person feststellen. Beispiel: ‚Lieber Joe. Was kannst du mir garantieren, wenn du aus dieser Isolation entlassen wirst?‘ Wenn die Antwort der Person zeigt, dass sie immer noch unverantwortlich ist, … muss der C/S die Person informieren, dass ihre Isolation verlängert wird. Bespiel: ‚Du bist dir über die Tragweite deines Handelns nicht bewusst.‘“

Abschließend stellte Hubbard fest: „Die Resultate können fast an ein Wunder grenzen.“

Wie die „Wunder“ in der Praxis aussehen, zeigte der tragische Fall von Lisa McPherson, die nach diesen Vorgaben „betreut“ wurde. Nach einem 17-tägigen Martyrium starb Lisa McPherson.

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Am Tag ihres Todes fasste das Office of Special Affairs (OSA) die Ereignisse in einem Bericht zusammen: „Lisa McPherson – Flag Public, die in Clearwater, Florida lebt, verließ heute abends ihren Körper, während sie zum Spital in New Port Richey, Florida, gebracht wurde. War im Fort Harrison Hotel, 210 South Fort Harrison Avenue, untergebracht, nachdem sie am 18. November 1995 einen psychotischen Zusammenbruch erlitten hatte. Sie war in einem Raum der hinteren Cabanas untergebracht, Raum 174. Sie stand unter Aufsicht.

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Lisa McPherson …

Weiter im OSA-Bericht: „Hintergrund: [Lisa] begann ihre Scientology-Dienstleistungen im Juni 1982 in Dallas, Texas. … [Lisa] war 1984 Mitarbeiterin der Southwest Mission. Es ist nicht bekannt, für wie lange sie das war. Es gibt eine Notiz, dass [Lisa] 1989 der Sea Org beitrat, aber nicht sehr lange blieb (unter einem Jahr). Dann wurden die verschiedenen Kurse und Auditings aufgelistet – darunter u.a. die Clearüberprüfungen, Ethikhandlings, PTS/SP-Handhabungen und Sicherheitsüberprüfungen (SecChecks). ,,,

Im Juni 1995 brach [Lisa] zusammen und begann durchzudrehen (Psychotischer Zusammenbruch). Sie setzte den Zustand des Durchdrehens während der Handhabungsversuche fort. Schlussendlich hatte sie ihr Durchdrehen überwunden und erreichte den Status Clear. Das war am 7. September 1995. … Auf dem Weg zu Lisas Auto kamen sie bei einem Autounfall vorbei, der eineinhalb Blocks entfernt vom Büro und [Lisas] Auto passiert war. Polizei war dort, Rettungssanitäter usw.

Was passierte, nachdem (Lisa) aus Benettas Auto ausgestiegen war, ist folgendes: Nachdem sich (Lisa) den Unfall vergegenwärtigt hatte, war sie selbst in einen Unfall verwickelt, als sie das Büro mit dem Auto verlassen wollte. Sie lief in das Ende eines Bootes, das von einem Auto gezogen wurde. Der Motor des Bootes wurde dabei heruntergerissen und dadurch entstand einiger Schaden. Sie und die andere Partei tauschten Daten aus (Namen und Telefonnummern), um derart zu ermöglichen, dass die Angelegenheit zwischen den Versicherungen abgehandelt würde. Laut der anderen Partei war es eine Frage, ob die Versicherung den Schaden abdecken würde oder nicht. (Er rief [Lisa] später in ihrem Apartment an, um sich nach ihr zu erkundigen.) Die andere Partei verließ danach den Ort des Geschehens und anschließend dürfte [Lisa] ihren psychotischen Zusammenbruch erlitten haben. Sie zog sich ihre Kleider aus und spazierte nahe des anderen Unfalles herum. Sie nahmen sie in Gewahrsam und wiesen einen der Rettungssanitäter an, sie in das Morton Plain Hospital zu fahren.“

Die Autopsie von Lisa McPherson wurde am 6. Dezember 1995 durchgeführt. Die Ärztin Joan Wood stellte als medizinische Sachverständige u.a. fest: „Todesursache: unbekannt. … schwere Austrocknung, mehrfach alte und neue Hämatome an den Extremitäten, Abschürfung der Nase.“

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Dr. Joan Wood …

Erst über ein Jahr später, im Januar 1997, begannen die Behörden den mysteriösen Tod McPhersons zu untersuchen. Sie stützten sich dabei auf den Bericht der Ärztin Joan Wood, die keinen Grund erkennen konnte, warum McPherson plötzlich erkrankt bzw. verstorben war.

Im November 1999 wurde Scientology von Staatsanwalt Bernie McCabe u.a. wegen „Ausübung ärztlicher Tätigkeit ohne Zulassung“ und des „Missbrauchs eines behinderten Menschen“ angeklagt. Ein Monat später entschied das Gericht in Tampa/Florida, dass David Miscavige im Gerichtverfahren ebenfalls angeklagt werden soll.

Im Januar 2000 änderte Joan Woods plötzlich die Wortwahl in ihrem Bericht von Unbestimmter Tod auf Unfall, woraufhin das Gericht das Verfahren einstellte …

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Joan Woods äußerte sich bis zu ihrem Tod – sie starb 2011 – nicht, was 2000 der ausschlaggebende Punkt war, der sie dazu bewogen hatte, den Bericht zu ändern.

Sie selbst hatte 2005 ihre Lizenz als Medizinerin zurückgelegt, nachdem das Staatliche Gesundheitsamt eine Strafanzeige gegen sie erstatte, in der ihr u.a. Komplizenschaft mit Scientology vorgeworfen wurde.

Die Familie von Lisa McPherson versuchte ihrerseits nach dem Prozess 2000 bzw. dessen Niederschlagung eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu erreichen, unterzeichnete aber im Mai 2004 eine Vereinbarung mit Scientology, deren Inhalt bis heute unter Verschluss gehalten wird, die aber den Effekt hatte, dass keinerlei weitere Untersuchungen des Falles Lisa McPherson unternommen wurden.

Auf den Punkt gebracht …

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Fotos: Scientologypublikationen (7), Why-we-protest, Tampa Bay Times