L. Ron Hubbard hatte mit der Sea Org eine „Prätorianergarde“ geschaffen, die seine Vision umsetzen sollte – ohne darüber nachzudenken oder zu hinterfragen, was ihr Guru ereichen will. Dementsprechend hatte er auch ein Rangsystem entworfen, das bis heute angewendet wird. Hier die Insignien der Scientology-Paramiltärs …

Sea Org Insignia

Nach Jahren auf dem Meer, versuchte Hubbard Mitte der 70er-Jahre wieder an Land Fuß zu fassen. Die Sea Org verfügte zwar über Landstützpunkte, wie z.B. in Kopenhagen/Dänemark und East Grinstead/England, aber keinen in den USA. Hubbard wollte zurück in sein Heimatland und die Sea Org kaufte unter Decknamen in Clearwater/Florida und später in und um Los Angeles Immobilien auf.

Unbemerkt von der Öffentlichkeit ereignete sich dann zwischen 1979 und 1986 eine Zäsur in der Geschichte von Scientology. Fast die Hälfte der aktiven Scientologen spaltete sich in dieser Zeit ab bzw. wurde als Unterdrückerische Person „markiert“ und ausgeschlossen.

Hier eine unvollständige Zusammenstellung von Scientology …

David Miscavige spielte in dieser klassischen Posse die Hauptrolle, die Sea Org stellte die Kom­parserie.

Vorausgegangen war dem Ganzen das Abtauchen von Hubbard, der eine Anklage im Rahmen eines Prozesses gegen den Scientology-Geheimdienst Guardian Office fürchtete, wo er als nicht angeklagter Beschuldigter geführt wurde.

Im September 1979 übernahmen die Commodores Messenger Organisation (CMO) auf sein Geheiß die Führung von Scientology und er richte­te einen speziellen Ausschuss ein, das sogenannte Watchdog Committee. David Miscavige war sowohl in der Commodores Messenger Organisation, als auch im Watchdog Committee engagiert.

L. Ron Hubbard
L. Ron Hubbard …

Anfang 1981 gründete Hubbard ein sogenanntes All Clear Comittee, das wiederum David Miscavige leitete. Es sollte herausfinden, welche Probleme intern gegeben waren und entsprechend handeln. Die hauptsächliche Qualifikation des 21-jährigen Miscavi­ge bestand darin, dass „er Dinge zum Laufen bringen konnte, wo es andere nicht schafften, indem er sich die Lunge aus dem Leib brüllte“ – darüber hinaus war er ein enger Freund von Pat Broeker, der Hubbard gemeinsam mit seiner Frau an geheimen Orten betreute.

In weiterer Folge umging Miscavige alle Hierarchien und schloß sich direkt mit Broeker kurz. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wusste niemand mehr, ob eine Anweisung von Hubbard, Broeker oder Miscavige kam. Miscavige war darüber hinaus auch als Hubbards „Notar“ tätig, was nach kalifornischem Recht möglich ist.

Diane Reisdorf sagte im Rahmen einer Eidesstattlichen Erklä­rung folgendes aus: „Ich, Diane Sue (Reisdorf) Voegeding, schwöre Kenntnis von der Tatsache zu haben, dass David Miscavige aus Gilman Hot Springs, agierend als ‚California Notary Public‘, in seinem Notarbuch Unterschriften von L. Ron Hubbard hatte, ohne dass L. Ron Hubbard vor ihm erschien. … Da es David Miscavige nicht erlaubt war, L. Ron Hubbard zu sehen, schickte er Pat Broeker sein Notar­buch, der es etwa eine Woche später mit Unterschrift von L. Ron Hubbard zurückbrachte. … Dann beglaubigte er es.“

Im nächsten Schritt entmachtete das Triumvirat Hubbard-Broeker-Miscavige im Juni 1981 die Commodores Messenger Organisati­on. Sie setzten die jeweiligen „Kommandierenden Offiziere“ in rascher Folge ab – Diane Reisdorf, Gayle Irwin, John Nelson -, um schließlich ihren Gefolgsmann Mark Yager auf diesem Pos­ten zu installieren.

Daran  anschließend entmachteten sie den Geheimdienst, das Guardian Office um Mary Sue, der Ehefrau Hubbards, die gemeinsam mit Cindy Raymond, Gerald Bennett Wolfe, Henning Heldt, Duke Snider, Gregory Willardson, Richard Weigand, Mitchell Herman, Sharon Thomas, Jane Kember und Mo Budlong, alle Mitarbeiter des Guardian Office, 1979/80 u.a. wegen Einbruch in Regierungsgebäude und Diebstahl von Dokumenten und Regierungseigentum zu Gefängnisstrafen bis zu sechs Jahren verurteilt worden waren. In weiterer Folge wurde das Guardian Office aufgelöst und 1984 als Office Of Special Affairs (OSA) „wiedergeboren“.

1982 gründeten sie auch das Religious Technology Center (RTC). Das RTC sollte die oberste Instanz in Scientology werden. David Miscavige fungiert bis heute als Vorstandvorsitzender des RTC. Danach wurden weitere Körperschaften gegründet – u.a. die Church of Spiritual Technology (CST), die Authors Service Incorpora­tion (ASI) und der Authors Family Trust.

Der Hauptzweck bestand darin, alle Finanzaktivitäten auszu­lagern und gleichzeitig zu verhindern, dass Scientology selbst in ein mögliches Gerichtsverfahren involviert werden könnte.

Ein weiterer Aspekt: In der CST wurden z.B. die Copyrights gebündelt. Jede Organisation, aber auch jede Person, musste Copyrightgebühren für das Nutzen der hubbardschen „Techno­logie“ bezahlen. Diese Einnahmen stellen einen großen Teil der Gesamteinnahmen von Scientology dar. Das Magazin TIME schrieb, dass „in einem Gerichtsakt stand, dass … die CST nur für das Jahr 1987 ein Einkommen von 503 Milli­onen Dollar angab.“

Gründungsmitglieder der CST waren Lyman Spurlock, Sher­man Lenske, Meade Emory, Leon Misterek und Norman F. Star­key. Starkey war Präsident der ASI und später auch Testament­vollstrecker von Hubbard, Spurlock war Treuhänder des RTC, Emory war als Assistent des Commissioners des Internal Revenue Services tätig gewesen, Lenske und Mistrek waren Anwälte.

Im Mai 1982 wurde ein Vertrag zwischen Hubbard und dem Religious Technology Center unterzeichnet. In diesem Vertrag über­trug Hubbard seine gesamten Rechte sowie sämtliche Trade­marks an Scientology. Der „Notar“ David Miscavige bestätigte die Unterschrift Hubbards, zwei Rechtgutachter bezweifelten dies: Irmgard Wassard, Mitglied der Danish Graphologist Society, und John J. Swanson.

Im Juni 1982 wurde die International Finance Police (IFP) mit dem Finanzdiktator Wendell Reynold an der Spitze ge­gründet. Die IFP agierte im Auftrag des RTC. Sie suchte weltweit jede Scientology-Organisation auf und verhörte alle Mitarbeiter. Ihre Spezialität waren stundenlange Sicherheitsüberprüfungen, die von bis zu 5 Mitgliedern der IFP vorgenommen wurden, sogenannte Gang-Sec-Checks. Alle „unsicheren“ Kandidaten wurden entlassen und als Unterdrückerische Personen eingestuft. Gleichzeitig wurden sämtliche noch verbliebenen Führungsmit­glieder auf internationaler Ebene von der Spitze entfernt. Sie durchliefen danach ein „Spezialprogramm“ im scientologischen Straflagers Rehabilitation Project Force (RPF).

Die Macht von Miscavige und Broeker war damit abgesi­chert, Hubbards Rolle blieb ungeklärt. David Miscavige instal­lierte anschließend Lyman Spurlock, Marc Yager, Norman Starkey, Ray Mitthof, Jesse Prince und Wendell Reynolds als Spitze – Pat Broeker war sein Mann bei Hubbard.

L Ron Hubbard 1983

1983 sollte Hubbard vor Gericht erscheinen. Tat er dies nicht, sollte er für tot erklärt werden. Er „bewies“ durch Finger­abdrucke, die von David Miscavige „beglaubigt“ wurden, dass er noch lebt. Im selben Jahr kaufte Pat Broeker die abgeschie­dene Whispering Winds Ranch, Hubbards letztes Refugium.

Die Austrittswelle aus Scientology erreicht 1984 ihren Hö­hepunkt und viele ehemalige Top-Scientologen hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits selbstständig gemacht – u.a. entstand die sogenannte Freie Zone von Bill Robertson und das Advanced Ability Center von David Mayo. Es gab plötzlich mehrere Sci­entologys, die sogenannte Reformbewegung war entstanden. Für Miscavige & Co eine untragbare Situation. Vicki Aznaran, 1984 Präsidentin und Vorstandsvorsitzende des RTC, erklärte 1992 in einer Eidesstattliche Erklärung die damaligen Umstände: „Die Operationen beinhalteten Untersuchungen durch Pri­vatdetektive, die mit allen Mitteln Informationen beschaffen sollten, welche die Führer der Reformbewegung, die nicht durch Miscavige‘s frühere Aktionen zum Schweigen gebracht werden konnten, ins Gefängnis kamen.“

Während Miscavige mit den „Reformgruppen“ beschäftigt war, machte ihm Hubbard einen Strich durch die Rechnung, als er am 19. Januar 1986 die Flagorder 3879 herausgab, in der er Pat und Annie Broeker als Loyale Offiziere ein­setzte und damit praktisch zu seinen Nachfolgern ernannte. Sich selbst beförderte er zum Admiral und starb fünf Tage später.

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Beim anschließenden Death Briefing waren noch alle vereint …

Es sollte bis zum Jahr 1988 dauern, bis Miscavige auch das korrigiert hatte. Unter Einsatz einer „Spezialbehandlung“ im RPF des RPFs zwang er die Broekers zum Rücktritt. Annie Broeker verblieb bei Scientology und starb abgeschirmt als Annie Tidman 2011 an Lungenkrabs. Sie war 55 Jahre alt geworden.

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Pat Broeker (Foto) gelang im gleichen Jahr die Flucht. 2012 stellte sich heraus, dass er von Anbeginn von zwei ehemaligen US-Polizisten auf Schritt und Tritt verfolgt und beobachtet wurde: Greg Arnold und Paul Marrick bekamen dafür monatlich von Scientology 32.000 Dollar überwiesen. Bis Miscavige 2012 die Zahlungen einstellte, Arnold und Marrick an die Öffentlichkeit gingen – und sich letztendlich mit Scientology in einem geheimen Aggreement einigten. Hier ein Artikel der Tampa Bay Times dazu …

Greg Arnold und Paul Marrick
Greg Arnold und Paul Marrick …

Wozu der Aufwand von 10 bis 12 Millionen Dollar gut war? Broeker wusste durch seine Zeit mit Hubbard sehr viele Interna, technische „Details“ und man kann davon ausgehen, dass auch die Flucht von Broeker nicht so abgelaufen ist. Man müsste eher von einem geordneten Weggehen sprechen, wo Broeker, ausgestattet mit einer monatlichen Zahlung von Scientology, seine Recherchen über Body Thetans und sonstigen Nonsens fortsetzte.

David Miscavige bewachte im Weiteren seine „Investition“, da er nie ganz sicher sein konnte, ob ihm Broeker nicht doch etwas verschwieg. Dezitiert ging es um die OT-Stufen IX bis XV, die Hubbard angeblich ausgearbeitet hatte – und die nicht auffindbar waren, die aber nach wie vor auf allen Vorgaben von Scientology (Grade Chart) zu finden sind.

Ab 2012 wollte sich Miscavige die monatlichen 32.000 Dollar sparen, da sich Broeker in seinem persönlichen Nirvana verloren hatte. Wahrscheinlich wird Miscavige demnächst die OT-Stufen IX und X herbringen – die er selbst geschrieben hat oder „die zufällig entdeckt wurden“.

Dessen ungeachtet hatte sich 1990 um Miscavige eine Führungsriege gebildet …

Miscavige & Co

Womit wir bei einem Blick auf das RPF bzw. das RPF des RPFs von Scientology wären …

Unter dem unverfänglichen Namen Rehabilitation Project Force (RPF) befindet sich in jedem Zentrum der Sea Org ein Straf- bzw. Umerziehungslager. Gedacht ist das RPF für jene Mitarbeiter, die den Maß- oder Vorgaben nicht ent­sprechen. In der Flagorder 3434 legte Hubbard dessen Bedingungen fest: Isoliertes Lagerleben, einfache Arbeiten, exzessive Indok­trinierung durch Studium von Scientologyschriften und Audi­ting, sowie wenig Schlaf.

Man kann davon ausgehen, dass sich weltweit bis zu 10% der Sea Org im RPF befinden – das sind rund 500 Perso­nen.

Die Strafen innerhalb des RPF des RPFs, das für „besonders schwere Fälle gedacht ist“ sind drakonisch. Eine der Standardstrafen bestand im tagelangen Umrunden eines Baumes – auch bei brütender Hitze. Die Insassen werden bewacht. Das Bewachungspersonal ist – in den USA – bewaffnet. Die Ein­weisung erfolgt ohne Angabe, wie lange man in die­ser „Einrichtung“ angehalten wird. Diese werden hauptsächlich im Internationalen Hauptquartier von Scientology bei San Jacinto „absolviert“.

Das Hauptquartier ist umzäunt …

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„Umrunden eines Baumes“ …

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Zwei Aussagen ehemaliger Mitarbeiter der Sea Org geben einen Einblick darüber. David Mayo, bis Anfang der 80er-Jahre „Technische Vorstand“ von Scientology, schrieb in seiner Eidesstattlichen Erklärung 1994: „Am 29. August 1982 haben mich David Miscavige und andere auf Befehl von Hubbard entführt und über 6 Monate gefangen gehalten. Während dieser Zeit wurde ich physisch und mental misshandelt und David Miscavige, Direktor des RTC, sagte mir in Anwesenheit von Vicky Aznaran, Präsidentin des RTC, Marc Yager, Kommandie­render Offizier der CMO, dass ich im Fluchtfall damit rechnen müsste, dass er persönlich alles in die Wege leiten würde, die Möglichkeiten von Scientology voll aus­zuschöpfen, um mich als Person zu zerstören.

Während meiner sechsmonatigen Gefangenschaft musste ich täglich drei Monate bei Temperaturen von bis zu 43 Grad zwölf Stunden lang um einen Baum in der Wüste laufen; dies fand unter extremem Zwang statt. Mir wurde jede medizini­sche Behandlung verweigert. Mir war es nicht gestattet, Tele­fonate zu führen bzw. zu empfangen und alle Briefe, die ich schrieb, wurden vom Sicherheitspersonal gelesen. Ich wurde oft in der Nacht geweckt und verhört, hauptsächlich durch Jesse Prince. Anfang Februar 1983 wurde mir von Rick Az­naran, Direktor der Sicherheitseinrichtungen, gesagt, dass ich vergessen könnte, die Anlage jemals lebendig zu verlassen.“

Die zweite Eidesstattliche Erklärung stammt von Andre Ta­bayoyon, einem Vietnam-Veteranen: „Ich habe insgesamt ca. 6 Jahre im RPF verbracht. Während dieser 6 Jahre habe ich auch 19 Tage im RPF des RPFs ver­bracht. Das RPF des RPFs hat den Zweck, jeden persönlichen Entschluss, das RPF nicht absolvieren zu wollen, zu zerstören. Das RPF ähnelt einem Gulag oder Konzentrationslager. … Während meiner sechs Jahre im RPF verbrachte ich täglich fünf Stunden beim Studium von Scientology. … Die sciento­logischen Verfahren zur Gehirnwäsche wurden durch weitere Verfahren unterstützt: Indoktrination bei täglichen Appellen, … Sicherheitsüberprüfungen und Auditing. Auditing stellt die zentrale Praktik von Scientology dar. Dabei wird das E-Meter verwendet, ein einfaches Elektrogalvanometer. … Man hält zwei Blechbüchsen, die mit dem E-Meter verbunden sind und verfällt auf Anweisung des Auditors in einen hypnoti­schen Zustand. …

(Ich) beobachtete …, wie die innersten Kreise von Scientology arbeiteten. Ich beobachtete Gedanken manipulierende Kon­trollverfahren. … Diese Praktiken herrschten besonders im RPF vor, einer Einrichtung, in der Gehirnwäsche und Stra­fen angewendet werden, die dem sehr ähneln, was ich … in Vietnam vom Vietkong, den Nordvietnamesen und Chinesen hätte erwarten können. …

1991 musste ich die Anlage so vorbereiten, dass sie gegen eine mögliche Übernahme durch Behörden im Krisenfall ver­teidigt werden konnte. Ich war Verantwortlicher für ein Pro­jekt, das für die Basis das Sicherheitssystem entwerfen sollte: Den äußeren Zaun, die rasiermesserscharfen Hindernisse, die Ausleuchtung des äußeren Zaunes, die elektronischen Bildschirme, die versteckten Mikrophone, die Bodensenso­ren, die Bewegungsmelder und die versteckten Kameras, die im ganzen Gelände und sogar außerhalb der Basis installiert wurden.

Es wurden halbautomatische Sturmgewehre (HK 91) mit einer Schussleistung von 250 Schuss pro Minute angeschafft; weiter Pistolen Kaliber 45, 380 Automatikwaffen und zwölf Schrotflinten. Diese Waffen waren nicht registriert. …

Die Motorradstreifen wurden darin ausgebildet, geladene Pistolen des Kalibers 45 zu tragen. Der Späher in einer hoch über der Anlage angebrachten Plattform wurde an einem weittragenden Gewehr mit Zielfernrohr ausgebildet. …

Zusätzlich zu den Feuerwaffen wurden die Wachen im wirk­samen Einsatz von kleinen Knüppeln ausgebildet. Grund­legende Dinge wie Schläge auf die Herzmitte, auf den Solar Plexus und seitlich auf den Kopf wurden trainiert. …

In den über zwei Jahrzehnten Erfahrung in Scientology habe ich in vielen Fällen beobachtet, wie die (Scientology) Techniken … bewusst eingesetzt wurden, um Scientologen zu schaden, wenn sie bei Hubbard oder Miscavige in Ungnade gefallen waren. … Diese Praktik (wurde) Schwarze Dianetik oder Umgekehrtes Verfahren genannt. …

Ich (bekam) direkt von David Miscavige, Ray Mithoff, Sandy Wilhere und Hansuli Stalli die Anweisung, die Technologie dahingehend anzuwenden, dass extreme mentale und emoti­onale Belastungen bei Personen geschaffen würden, die ich … einer Sicherheitsüberprüfung unterziehen musste. …

Die Reaktionen eines Menschen auf solche Zustände ist absehbar. Ich habe bei vielen Personen psychotische Zusam­menbrüche erlebt. Darunter verstehe ich eine Reduktion auf unzusammenhängendes Gestammel, Herunterreißen von Kleidung, Herumkrabbeln am Boden, wiederholtes Anschla­gen von Kopf, Gliedmaßen oder anderen Körperteilen an Wände oder Möbel, Bellen, Verlust jedes eigenen Identitäts­gefühles und anhaltende Vorstellung von Suizid. …

Ich war Fallüberwacher im RPF. Das bedeutet, dass ich die Auditingakten aller Personen einsah, die während meiner dortigen Dienstzeit dem RPF zugewiesen waren. Ich sah, dass die Technologie regelmäßig für zerstörerische Zwecke einge­setzt wurde. Die Fallnotizen, die von Auditoren während der Sitzungen angefertigt worden waren, wurden von höheren Führungskräften geändert oder gestrichen. …

Mir wurde auch befohlen, eine ganze Anzahl von Personen zu auditieren, darunter auch Stacy Young, während diese im RPF waren. Die Akten, die mir zu Stacy vorgelegt wurden, wiesen sie als stabile, gut ausgewogene Person aus. Als Stacy in den Auditingraum geführt wurde, war ich mit einer auf­gelösten, irrational und unzusammenhängend sprechenden Person konfrontiert, die ich kaum erkannte. Stacy verbrachte die erste halbe Stunde der Sitzung mit Gestammel und hyste­rischem Weinen. …Was ich … (von) Schwarzer Dianetik kannte, wurde auch bei mir angewendet. Ich überlebte das Verfahren ohne psychoti­schen Zusammenbruch. Ich vermute, dass mir das umfangrei­che Überlebenstraining, das ich beim Militär erhalten hatte, über diese extremen Erniedrigungen hinweghalf. …

Ich bekam direkt von Ray Mithoff Anweisungen, Gehirn­wäschetechniken zu benutzen, um Tom Ashworth in einen psychotischen Zusammenbruch zu treiben. Ausdrückliches Ziel der Übung war, Tom verrückt zu machen, damit er Selbstmord begehe. … Er entkam dem RPF, wurde wieder eingefangen, gegen seinen Willen zurückgebracht und be­wacht isoliert. …

1987 erlebte ich, wie Miscavige Vicki Aznaran an einem Ort namens Happy Valley einsperren ließ. … Es war eine der RPF-Einrichtungen. Vicki war die oberste Führungskraft des RTC. Miscavige führte erfolgreich einen Gewaltstreich durch und entfernte sie von ihrem Posten. Er brachte sie ins RPF. … Ich war selbst im Happy Valley-Gelände, als Vicki hergebracht wurde. Sie kam in einem Auto. Miscavige kam in einem zweiten Wagen direkt hinter ihr. Als Vicki und Miscavige ausgestiegen waren, hörte ich Miscavige Vicki anschreien ‚Du wirst dieses verdammte RPF machen!’ Ich sah oder hörte keine Erwiderung von Vicki, ich sah sie nur in den Schlafbereich gehen. … Ich machte ihm ein Kompliment wegen der neuen Uniform und er sagte mir, dass Vicki, Jessie Prince und Spike Bush dem RPF zugewiesen worden seien. Er sagte: ‚Ich bin mir fast sicher, dass sie das RPF nicht überstehen werden. Es sind Kriminelle.’ … Vicki verbrachte 120 Tage im RPF. … Miscavige wies uns an, auf Vicki besonders aufzupassen, da er befürch­tete, dass sie versuchen würde, zu entkommen. … Außer eini­gen Gelegenheiten, bei denen sie zu krank zum Gehen war, sah ich sie während ihres ganzen Aufenthaltes 12 Stunden am Tag um den Baum laufen. Das Laufprogramm – dies ist eine der schwersten Formen des RPF. … Es wurde oft bei Perso­nen eingesetzt, die von der Scientology-Führung als verrückt angesehen wurden.“

Professor Stephen A. Kent von der Universität Alberta, Ka­nada, fand im Rahmen seiner Untersuchung des RPF alle Be­standteile der klassischen Gehirnwäsche gegeben: „Freiheitsentzug, körperliche Misshandlungen, körperlich schwierige Arbeit, mangelhafte Ernährung, mangelnde Hygi­ene und ärztliche Versorgung, schlechte Schlafbedingungen, soziale Misshandlung wie das Tragen von Armbinden, Be­schränkung der Kommunikation. Weiters: intensives Studium der Ideologie und erzwungene Beichten.“

Lawrence Wright schrieb in seinem Buch über das RPF: „In den frühen Morgenstunden eines Julitags im Jahr 1977 stürmten FBI-Agenten die Büros von Scientology in los Angeles und Washington D.C. … Bei der Durchsuchung des Scientology-Sitzes in Los Angeles hatten die FBI-Agenten eine Türe geöffnet, die zum unbeleuchteten Keller des alten Cedars of Lebanon Hospital … führte. …  Sie fanden ein Labyrinth von kleinen Zellen, in denen jeweils ein halbes Dutzend Menschen hockten, die schwarze Overalls trugen und zum Zeichen ihrer Degradierung schmutzige Fetzen um die Arme gewickelt hatten. Insgesamt waren etwas 120 Personen in dem stockdunklen Keller eingesperrt.“ …

„Es ist bezeichnend, dass keines der im RPF-Kerker eingesperrten Sea-Org-Mitglieder die Gelegenheit zur Flucht nutzte. Hätten sich die FBI-Beamten die Mühe gemacht, die Leute zu befragen, so hätte kaum einer der Gefangenen, gegen seinen Willen festgehaten zu werden. Die meisten Insassen glaubten, irrtümlich in den Keller geschickt worden zu sein oder die Strafe wegen eines Fehltritts zu verdienen. Sie waren überzeugt, dass die Strafarbeiten und die zusätzlichen Studien zu ihrem Besten seien. Selbst jene, die gewaltsam in die RPF gezwungen worden waren, hatten nicht die Absicht , den Kerker zu verlassen.“

Fotos: Scientology-Publikationen (11)