Um die Geheimdienstaktivitäten von Scientology nachvollziehen zu können, muss man sich die Geschichte des Psychokults ansehen. Das mag etwas trocken erscheinen, aber nur so kann man verstehen, was heute bei Scientology vor sich geht.
Bei L. Ron Hubbard gab es von Anfang an eine„Anlassgesetzgebung“. Mussten sich in den 50er-Jahren seine Anhänger mit Kurpfuschereianklagen herumschlagen, gründete er eine Kirche bzw. Religion, begannen Regierungen Scientology zu untersuchen, gründete er einen Geheimdienst.
Hubbard hatte sich Ende der 50er-Jahre nach England abgesetzt, wo er in einem Herrenhaus in East Grinstead residierte und 1959 sein Handbuch des Rechts verfasst. In diesem schmalen Büchlein ist alles beschrieben, was auch heute noch im Office of Special Affairs angewendet wird – daher nochmals zur Erinnerung …
Und als PDF: Handbuch des Rechts
Konkret begann es dann 1960 mit der Gründung des Department of Government Affairs (Abteilung für Regierungsangelegenheiten), dessen Aufgabe er folgendermaßen beschrieb: „Einwirkungsmöglichkeiten auf Regierungen und andere Organisationen. … Deshalb werden Verteidigungstaktiken im Department abgelehnt. … Nur Angriffe lösen Bedrohungen auf. Im Angesicht der Gefahren, die von Regierungen und Gerichten ausgehen, gibt es nur zwei Fehler, die man machen kann: (a) nichts zu tun und (b) sich zu verteidigen.
Die richtige Vorgangsweise bei Bedrohungen ist: (1) Finden Sie heraus, ob wir das angebotene Spiel spielen wollen oder nicht. (2) Wenn nicht, bringen Sie das angebotene Spiel zum Entgleisen mit einem Täuschungsmanöver oder einem Angriff auf den verwundbarsten Punkt, den Sie in den feindlichen Reihen entdecken können. (3) Erzeugen Sie genug Bedrohung und Tumult, damit der Feind verzagt. … Verteidigen Sie sich niemals, greifen Sie immer an. … Unerwartete Angriffe in den Rücken der feindlichen Frontlinien funktionieren am besten. … Das Ziel des Departments ist es, Regierungen und feindlich gesinnte Philosophien oder Gesellschaften in einen Zustand vollständiger Übereinstimmung mit den Zielen von Scientology zu bringen. … Dringen Sie in solche Einrichtungen ein. Kontrollieren Sie solche Einrichtungen.“
Einige Monate später ersetzte es Hubbard durch das Department of Official Affairs (Abteilung für Öffentliche Angelegenheiten), indem er seine Absichten weiter präzisierte: „Um die Aktivitäten zum Ziel zu bringen, ist es nur nötig, sich Freunde und Verbündete zu schaffen, die Einfluss haben. … Die Aktion, Gruppen zu beeinflussen, besteht darin, den jeweiligen Kopf der Bündnisgruppen für sich einzunehmen. … Die Aktion, eine Pro-Scientology-Regierung hervorzubringen, besteht darin, sich die am höchsten platzierte Person im Regierungsapparat, die man erreichen kann, zum Freund zu machen, und im privaten Haushalt oder Büro Scientologen in ihrer Nähe zu platzieren.“
In den USA, Australien und England gingen Regierungsbehörden der jeweiligen Länder noch offensiver gegen Scientology vor und im Gegenzug schuf Hubbard dann die Public Investigations Section (Öffentliche Ermittlungsabteilung) und schrieb dazu: „Man wird sehen, dass die Abteilung die nützlichen Funktionen einer Spionage- und Propaganda-Agentur hat. … Wir benützen die herkömmlichen Spionagetechniken.“
In einem weiteren „Richtlinienbrief“ konkretisierte er das weiter: „Folgendes ist das korrekte Verfahren: 1. Finden Sie heraus, wer uns angreift. … 3. Verbinden Sie unsere Antwort mit einem Gegenangriff. … 4. Beginnen Sie damit, die Presse mit Berichten von Blut, Sex und Verbrechen und mit tatsächlichen Beweisen über die Angreifer zu füttern. Unterwerfen Sie sich niemals auf zahme Weise einer Untersuchung von Scientology. Machen Sie es den Angreifern die ganze Zeit über hart und dornenreich.“
Am 1. März 1966 gründete Hubbard dann das Guardian’s‘s Office (GO) und ernannte seine Frau Mary Sue zum ersten Guardian.
Er äußerte sich später begeistert: „Es gibt kein erfolgreicheres Organisationsnetz als das Guardian Office. … Das heißt nicht, dass dies nur innerhalb von Scientology oder in den Organisationen zutrifft. Es ist möglich, dass es in den düsteren Weiten der Geschichte einmal eine Aktivität gegeben hat, die ebenso erfolgreich war. Wenn dem so ist, weiß ich nichts davon.“
Rund 1.100 Scientology-Mitarbeiter, das waren bis zu 10% der Mitarbeiter weltweit, und unzählige Volunteers arbeiteten im und für das Guardian’s Office. Die Führung selbst oblag der Sea Org.
Die Zielsetzungen entsprachen dabei im Großen und Ganzen den Vorgaben Hubbards aus den Jahren davor: „Für die Expansion von Scientology ist das Guardia‘s Office ein unentbehrlicher Bestandteil. … Es geht dabei vornehmlich um folgende Dinge: Angriffe abzuwehren, die darauf abzielen, den Ruf und das Ansehen von Scientology in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. … Scientology, seine Organisationen und Missionen innerhalb der geltenden Rechtssphären zu schützen. … Aufbau sozialer Aktivitäten und Initiativen.“
Hubbard verfasste in den 70er-Jahren eine Order, wo er den Zweck des Guardian’s‘s Office noch genauer festlegte: „Etablierung der Unentbehrlichkeit von Scientology.“
Kurz der Aufbau des Guardian’s Office: Es war in sechs sogenannte Bureaus gegliedert.
Bureau 1 – Information war der eigentliche Geheimdienst und vorrangig mit dem Sammeln von Informationen auf offener (Overt Data Collection) und verdeckter Basis (Covert Data Collection) zuständig, sowie mit dem Durchführen von verdeckten Operationen (Covert Operations) beschäftigt.
In einem vertraulichen „Richtlinienbrief“ spezifizierte Hubbard, wie dies aussehen sollte: „Ein Nachrichtendienst-Offizier liefert die Zusammenfassung. Er schätzt niemals die Situation an sich ein. Der Nachrichtendienst soll Fakten und Berichte erstellen. Was benötigt wird, sind DATEN. … Das Standardvorgehen ist dabei 1. Vorhersage der Schwierigkeiten, bevor diese eintreten … 2. das Untersuchen von Verbrechen, die jemand begangen haben muss, der uns angreift, 3. Anklagen. Das ist das übliche Vorgehen. … Die Maxime ist dabei: ‚Wenn Sie unter Attacke stehen – attackieren Sie‘. Der Punkt ist, dass Sie auch attackieren, wenn Sie zu wenig Beweise haben, um den Fall zu gewinnen. Attackieren Sie einfach weiter. LAUTSTARK. Der Grund ist ganz einfach darin zu finden, dass Menschen, die uns angreifen, Verbrechen begangen haben und sie werden bald davor zurückschrecken uns weiter zu attackieren, aus Angst davor, dass wir diese entdecken könnten.“
Bureau 2 – Service agierte nur intern und war für die Belange der Staffs des Guardian’s Office zuständig. Bureau 3 – Public Relations trat als Öffentlichkeitssprecher für Presse, Behörden usw. auf. Bureau 4 – Legal oblag das Führen sämtlicher Gerichtsprozesse – offensiv und defensiv. Bureau 5 – Finanzen war wiederum nur intern tätig und kontrollierte die Finanzgebarung der verschiedenen Organisationen. Büro 6 – Social Coordination agierte „als Reformer auf dem Gebiet der geistigen Gesundheit, der Kriminellen- und Drogenrehabilitation, sowie der Erziehung und der grundsätzlichen Menschenrechte“ sollte Scientology jene öffentliche Unterstützung liefern, die diese anstrebte.
Alles was wir heute mit Sag Nein zu Drogen, Jugend für Menschenrechte usw. sehen, entstammt dieser Scientology-„Aktivität“ aus den 60er-Jahren!
Zur Abrundung des Bildes noch ein anderer Aspekt dieser Zeit: 1960/61 lebte Hubbard ein halbes Jahr im Apartheidstaat Südafrika gelebt, wo er u.a. den sogenannten Johannesburg SecCheck entwickelte und Jahre später einen Info Letter mit dem Titel E-Meter ersetzen Gewehre schrieb. Mit dem Vermerk Nicht vervielfältigen war er nur für Führungskräfte von Scientology bestimmt und gibt Einblick in sein Denken, das sowohl bei der Schaffung seines Geheimdienstes, aber auch bei der OT-III-Xenu-Geschichte gegeben war, die ebenfalls zu dieser Zeit stattfand:
„Terroristen und Subversive haben viel größere Angst vor dem E-Meter als vor Gewehren. Ein E-Meter ist eine kleine, billige Kiste voller Elektronik, die in der Lage ist, zwischen einem Subversiven oder Kriminellen und einem ehrlichen Menschen zu unterscheiden. … Gute Kontrolle braucht außergewöhnliche Technologie. … Gewehre erschießen nur die ‚Bauern’, die von den Subversiven vorgeschickt werden. Sie töten nicht die Subversiven. Und das ist der Grund, warum E-Meter viel besser geeignet sind als Gewehre. Sie erlegen den Schattenmann hinter den Schwierigkeiten. … Es gibt keine Möglichkeit das E-Meter ‚zu schlagen‘, das in den scientologischen Verfahren verwendet wird. … Man kann dies nur, wenn man es physisch zerstört oder es in Misskredit bringt. … Was ist es eigentlich?

Es ist eine sehr empfindliche und extrem moderne Version der alten ‚Wheatstonschen Brücke’, die vor hundert Jahren entwickelt wurde. … Es gibt heute noch eine ältere Version, die als ‚Hautwiderstandsmesser’ bei der Polizei als ‚Lügendetektor’ eingesetzt wird. Diese Apparate sind ungenau und haben eine bis zu 9-prozentige Fehlerquote. Außerdem kosten sie pro Stück 6.000 Pfund. … Vor zehn Jahren wurden Forschungen begonnen, um die Struktur des Apparates zu verbessern und Verbesserungen wurden vorgenommen. … Das neue E-Meter reagiert viel genauer als die Lügendetektoren der Polizei; es ist mit einer genaueren Einstellungsskala und Transistoren ausgerüstet. … Was zeigt es an? Die älteren Modelle waren gedacht, um mit ihnen Lügen entdecken zu können. Das neue Modell ‚liest’ emotionale Reaktionen und Meinungsverschiedenheiten – und es ‚liest’ sie unabhängig davon, ob die Person spricht oder nicht. …
Der Bediener stellt Fragen. Der Apparat ‚liest’ die emotionale Reaktion auf diese Fragen. Wenn die Nadel ein bisschen sinkt, lautet die Antwort ‚Vielleicht’. Fällt die Nadel stark, dann ist die Antwort des Apparates ‚Ja’. Wenn die Nadel nicht fällt, dann ist die Antwort ‚Nein’ oder ‚Unschuldig’. …
Und was ist, wenn sich eine Person weigert, die Elektroden zu nehmen? Sie würde das nur verweigern, wenn sie schuldig ist. Aber auch wenn sie es verweigert, bringt ein freundliches Platzieren in den Achselhöhlen oder auf den Fußsohlen die gleichen Ergebnisse. Dieses E-Meter kostet keine 6.000 Pfund. Es kostet um die 36 Pfund; weniger als ein gutes Gewehr. Und es erwischt den Richtigen, nicht die Schachfigur oder den unschuldigen Zuschauer. …
Eine noch bessere Methode wäre es, wenn jeder Manager oder Hausbesitzer ein E-Meter besitzen würde und damit umzugehen wüsste. … Jeder Mitarbeiter könnte in sinnvollen Intervallen überprüft werden und jede Schwierigkeit könnte lange davor vorher verhindert werden. … Es ist sehr angenehm, wenn man ruhig schlafen, leben und arbeiten kann; ohne Angst zu haben. … Und haben sie keine Bedenken wegen der Verletzung der Privatsphäre beim Einsatz des E-Meters. Nur die Ehrlichen haben ein Recht auf Privatsphäre. Nur die Treuen haben sie verdient. …
Die Subversiven in den ‚Vereinten Nationen’ und der Nördlichen Hemisphäre haben Südafrika genau dort, wo sie es haben wollten. Durch die Grenzverletzung hat Südafrika zu den Waffen gegriffen. Die Subversiven der Welt jaulten auf und brachten gute Menschen dazu, dagegen zu protestieren. … Dabei ist nicht einmal eine Kooperation mit der Regierung notwendig, um den ersten Schritt zu machen. Wenn Arbeitgeber und Hausbesitzer den menschlichen Verstand mit dieser ‚magischen Kiste’ lesen können, sind sie in der Lage eine loyale Crew zusammenzustellen. Wenn dies großflächig gemacht würde, käme die Regierung nicht darum herum, sich dem anzuschließen. …
E-Meter sind billig. Sie könnten in großen Stückzahlen importiert werden. Sie sind leicht zu bedienen. … Südafrika und Australien sind vielleicht die einzigen zivilisierten Länder, die einen kommenden Atomkrieg überleben werden. Daher hat Südafrika eine enorme Verantwortung, um diese Zivilisation am Leben zu erhalten – und die Bevölkerung vor einer ‚Diktatur des Volkes’ zu bewahren. … Vielleicht ist Südafrika die einzige Zivilisation auf Erden, die den Willen hat, das Subversive zu bekämpfen.“
1966 verweilte L. Ron Hubbard sechs Monate in Rhodesien (Zimbabwe), einem weiteren Apartheidstaat, und wollte sein „Know-how“ ungefragt zur Verfügung zu stellen.
Er wurde nach Ablauf seines Visums von der Regierung aus dem Land komplimentiert.
Photos: Scientology-Publikationen (6), PRI